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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 70.1932

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Osborn, Max: München in Düsseldorf
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https://doi.org/10.11588/diglit.7201#0235

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22S

MÜNCHEN IN DUSSELDORF

VOM Dr. MAX OSBORN

Es war eine rühmliche Geste der Kamerad-
schaft, daß die Düsseldorfer vorm Jahr, als
den Münchenern der Glaspalast abbrannte, die
obdachlosen Kollegen aus Bayern an den Rhein
einluden. Wenn nur Besseres dabei heraus-
gekommen wäre! Nun haben sich die Wirte
mit den Gästen zusammengetan und eine Aus-
stellung von fast tausend Nummern aufgebaut,
in der ein schnell überblickbares Häuflein von
Begabungen, nicht einmal durchweg mit Kin-
dern ihrer besten Stunden, wie eine Inselgruppe
aus einem wogenden Meer von Unzulänglich-
keiten herausragt. Melancholisch denkt man
an die ausgezeichnete Düsseldorfer Veranstal-
tung von 1928 zurück, die von ein paar Einzel-
persönlichkeiten mit diktatorischer Vollmacht
hergerichtet wurde und eine Art Muster dafür
aufstellte, wie man heute so umfassende Unter-
nehmungen überhaupt noch riskieren sollte.

Diesmal hatten die Vereine das Wort, mit
ihren ewigen Rücksichten, Eifersüchteleien,
kleinen und großen Krachs. Düsseldorf ist ja
seit langem für diese Krakehle berühmt in
deutschen Landen. An sich schaden sie nichts,
sie geben immer von Leben und Bewegung
Kunde, sie werden überhaupt nur da entstehen,
wo im Grunde etwas los ist. Aber wenn bei
einer so repräsentativen Festveranstaltung nun
die „Rheingruppe", die sich unter Donner und
Blitz aus der Rheinischen Sezession gelöst hat,
fehlt und in einem leerstehenden Privathaus in
der Stadt eine eigene Ausstellung macht, die
an sich vortrefflich geriet und in ihrer beherz-
ten Fortschrittsgesinnung den diesjährigen Düs-
seldorfer Schwerpunkt bedeutet — so ist das
organisatorisch, mit Verlaub, ein Blödsinn. Wer
die Schuld trägt? Vermutlich beide Teile.

In dieser Rheingruppe, die von Robert Pud-
lich, Arthur Kaufmann, Jankel Adler geführt
wird, klingt Jugendstimme und Zukunftsmusik.
Nachwuchs taucht auf: ein paar Klee-Schüler,
Peter Janssen, ein Enkel des einstigen Aka-
demieherrschers, Ari W. Kampf, Sohn von
Eugen Kampf, Oswald Petersen. Der Land-
schafter Schumacher-Salig, der Figurenmaler
Schriever, der Plastiker Szekessy lassen auf-
merken. Man holte sich Fremde von Distink-
tion, aus Berlin Hofer, Kolbe, Matare, E. W.
Nay, aus Frankfurt Baumeister und Beckmann,
aus Freiburg Bissier, aus Wien den Holz-
schneider Gerd Arntz, aus Köln das inter-
essante Ehepaar Räderscheidt-Hegemann. So
kam eine Kollektion gewiß nicht aus lauter
Meisterstücken, aber doch aus einer bemer-
kenswerten Ansammlung von interessanten und
persönlichen Leistungen zustande.

Mein Gott, ich wollte ja eigentlich von dem
Münchner Gastspiel berichten. Also da ist zu-
nächst die alte Genossenschaft. Man staunt
über die flüssige Produktion, die sich immer
noch an der Isar entfaltet, aber man wird
nicht glücklich. Viel tote Überlieferung wird
mittelmäßig gepflegt. Hier wie bei den zwei
Münchner Sezessionen spielt sodann die neu-
sachliche Nüchternheit noch immer eine un-
begreiflich große Rolle. Das steckte auch die
Kommission an, die für den preußischen Staat
zum Teil wunderliche Ankäufe machte. Rück-
sichten! ich weiß schon. Aber man sollte doch
anders aussuchen. Nehmen wir von der ur-
sprünglichen Sezession etwa einen Maler wie
Geigenberger aus, von der Neuen Sezession
Caspar, Unold, einen neuen Mann Karl Zerbe,
vor allem die prachtvollen Büsten von Bern-
hard Bleeker, so bleibt nicht viel übrig.

Bei den gastfreundlichen Düsseldorfern im
Kunstpalast am Rhein hat der „Verein zur Ver-
anstaltung von Kunstausstellungen", der hier so
eine Art Hausrecht hat (was selbstverständlich
wieder zu erheblichen Krachs führte), wenig
Aufregendes mitzuteilen. Sein Hauptverdienst
ist die Herrichtung einer Gedächtnisausstellung
für Ernst te Peerdt, der vor einiger Zeit als
hoher Siebziger gestorben ist, sich aber bis zu-
letzt als Künstler und Mensch ein junges Herz
bewahrt hatte, wie er schon in den siebziger
Jahren mit erstaunlich hellen und luftigen
Bildern den meisten Zeitgenossen voran war.
Die Rheinische Sezession trägt naturgemäß ein
ganz anderes Gesicht. Hier ist eine Reihe von
Kräften am Werk, die Maßgebliches zu sagen
haben. Wo Persönlichkeiten wie der phantasie-
reiche, amüsante Werner Gilles auftreten, der
ringsum starken Einfluß übt, wie der geniale
Zeichner Otto Pankok, wie Gustav Wiethüch-
ter aus Barmen, wie der jetzt nach Düsseldorf
verpflanzte Klee, wie Nauen, Gobiet, Peter
Hecker aus Köln, Champion, Pieper, Will
Tschech, Neyers, de Haer, Max Stern, der eben
als Sechzigjähriger herzlich gefeiert wurde, dazu
Plastiker wie Sopher und der begabte Adolf
Wamper, wo man ein Kabinett der Abstrakten
und einen Aquarellsaal zu bieten hat, die den
Besucher anregen und festhalten — da steckt
Kraft und vorwärtstreibender Wille. Aber diese
ansehnliche Sammlung von Talenten kommt in
dem allzu großen Rahmen des Ganzen nicht
nachdrücklich genug zur Geltung, und die sinn-
lose Spaltung, die die Leute von der Rhein-
gruppe absonderte, schädigt den Eindruck vom
wirklichen Gehalt der gegenwärtigen Düssel-
dorfer Kunst. Schade.............m.o.

XXXV. August 1932. 2.
 
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